Neue Nationalgalerie Berlin, Kemperplatz„man kann nicht jeden Montag eine neue Architektur erfinden“ – Mies van der Rohe.

Wie wahr – und was am Beispiel der Neuen Nationalgalerie Berlin leicht nachvollziehbar ist. 1957 entwarf Ludwig Mies van der Rohe für Bacardi in Santigo de Cuba ein Bürogebäude, das seiner Vision eines “unendlichen Raumgefüges” Rechnung tragen sollte. Dieser architektonische Haltung entwickelte sich schon weit früher und fand erste architektonische Anklänge in den Entwürfen für das  “50×50 house” (1951)  und für die “s. r. crown hall” in Chicago (Ausführung 1954 – 1956). Der Entwurf der Bacardi Konzernzentrale kam auf Grund der Revolution und Beschlagnahme der Produktionsstätten  in Kuba nie zur Ausführung, ein stark veränderter Entwurf wurde jedoch für Bacardi Mexiko (1957 – 1961) errichtet, der sich tektonisch noch an der “s.r. crown hall” orientiert. Das Museum of Modern Art besitzt einige der originalen Entwurfszeichnungen für das Bacardi Bürohaus Santigo de Cuba: (Interior perspective, Elevation of column with roof and glass wall, Preliminary version: interior perspective). Dieser Entwurf entwickelte sich zu einem Prototyp zweier gänzlich ähnliche Entwürfe, von denen nur einer, nämlich die Neue Nationalgalerie in Berlin, ausgeführt wurde. 1960 entwickelte Mies van der Rohe auf Grundlage des Bacardi Entwurfs ein “Museum für eine kleine Stadt”, das die Sammlung Georg Schäfer in Schweinfurt beherbergen sollte. Dieser Entwurf nimmt die Funktion, Konstruktion und Ausführung der Neuen Nationalgalerie fast vollständig vorab. Leider sind Bilder des Entwurfs relativ rar, aber wieder hilft das MOMA aus (Interior perspective with view of site). Eine Modellsimulation des Museums ist auf der Seite der “4. Architekturwoche in Schweinfurt” zu finden – die Ähnlichkeiten mit der Neuen Nationalgalerie sind frappierend. Ab 1962 arbeitet Mies van der Rohe am Projekt „Neue Nationalgalerie Westberlin“ am Südwestlichen Ende am Kemperplatz, was 1986 fertig gestellt wurde. Die Neue Nationalgalerie steht auf einem mit Granit verkleideten nahezu quadratischem Sockel von 105,00 x 105,00 m, der als Niveauausgleich für das nach Westen hin abschüssigen Gelände dient. In diesem Sockel befinden sich Lager, Ausstellungsräume und einen im Westen liegender Skulpturengarten, der vom Sockel her einsehbar ist. Auf dem Sockel befindet sich der vollständig verglaste quadratischer Stahl-Glas Pavillion (64,80 x 64,80 m), der von einem konstruktiven rund 1.0 m hohen Flachdach, aus Rahmenträgern getragen von 8 außen  liegenden Säulen (siehe Abbildung links), bedeckt ist. Das Dach steht rund 7.2m Meter vor der selbsttragenden Glasfassade. Die architektonische Bedeutung der Mies´schen Säulen, deren Ordnung sowie der Gesamtanlage, als “moderne Vergegenwärtigung des antiken Podiumstempels” werde ich in den kommenden Artikeln beleuchten.

[Hasselblad XPan, 45mm f/4, Kodak Professional  Tri-X 400]