03. der intensive Blick

Kapitelblatt der 3. Aufgabe Architekturfotografie mit dem Thema "der intensive Blick"Nachdem der „andere Blick“ ein Licht auf die Kritik der modernen Architekturfotographie geworfen hat und einen Appell für eine Freie Architekturfotographie darstellt, soll sich der „intensive Blick“ mit den Lösungsansätzen beschäftigen.
Randbereiche des Lebens haben Generationen von Fotografen immer wieder magisch angezogen. Diese Sujets – z.B. Hinterhöfe, Unterführungen und einsame Landstraßen – sind im Allgemeinen trist und alltäglich. Wo Bernd und Hilla Becher oder Thomas Struht noch für fotografische Wahrheiten einstanden, spielt die nächstjüngere Generation mit dem vermeintlichen Realismus des fotografischen Bildes. Es sind vor allem die „Unorte“ des urbanen Lebens, die „ins Visier“ genommen werden. Ihre scheinbare Belanglosigkeit macht sie zum interessanten Sujet, das sich abhebt von der sauberen Ordnung innerstädtischen Lebens. Das bevorzugte Sujet von z.B. Oliver Boberg sind die Wasserflecken und die Rostspuren auf Betonpfeilern, der bröckelnde Putz an den Hauswänden und das Unkraut zwischen den Fugen des Hinterhofpflasters – alles das ist reine Fassade, „fake“ wie die Fotoinszenierungen von Cindy Sherman. Erst auf den zweiten oder dritten Blick vermag der Betrachter die Täuschung aufzudecken. Doch die künstlich geschaffenen neuen Orte verweisen auch auf Wirkliches, auf den kalten Funktionalismus einer Architektur, die den Menschen längst vergessen hat – und umgekehrt. Diese Art der Kritik am Bestehenden treibt ein beklemmendes doch schönes Spiel mit der melancholischen Aura jener Orte.

Heinrich Helfenstein hingegen sucht nicht diese Essenz der „Unorte“ als Realität der Bilder, viel eher versucht er „eine empfindliche Fläche aufzuspannen, auf der sich der Gegenstand mit seinem spezifischen Kontext ohne weiteres Dazutun einschreibt“ also gerade nicht das architektonische Objekt in eine kalkulierte Bildkomposition einzubinden. Diese Äußerung richtet sich primär gegen „..eine Art des fotographischen Bildermachens, die den Gegenstand als veränder- und deformierbares Material verwendet, vielleicht intensive Wirkung erzeugt, dabei aber die Wahrnehmung des Betrachters fixiert, sattt zu öffnen“. In diesem Zusammenhang bedeutet „empfindliche Oberfläche“ die aufnehmende, die passive Seite des Fotographierens  zu unterstreichen. Helfenstein versteht die fotographische Aktivität mehr als ein Aufspannen von Netzen als ein zielgerichtetes Jagen. Die relative freie Spiel der Elemente im Bild, die autonom nebeneinander existieren, das den Blick des Betrachters aktiviert, das interessiert Helfenstein.
Margherita Spiluttini empfindet hingegen, dass die Fotographie dazu neigt, die Dinge (Elemente) innerhalb des Bildes alle gleich wichtig zu machen „Nebenphänomen“ und „Bildobjekt“ in ihrer Bedeutung anzugleichen. „… sehe ich einen Teil der realen Welt, die nicht nur aus Architektur besteht, sondern auch aus anderen Elementen, die ebenso wichtige Teile des Bildes, oder des Ornamentes, sind. … Ich organisiere den Ausschnitt. Das ist nicht nur die Interpretation der Sprache der abzubildenden Architektur, sondern auch die Wahrnehmung von allem, was sich drumherum befindet und was für mich aus ganz banalen und subjektiven Gründen von Bedeutung ist. Die Architektur entfaltet sich ja auch durch ihr Umfeld.“

Das alles kumuliert in Bart Lootsmas Empfehlung, dass es  gerade in Hinblick auf die Abbildung der Realität „zwei alternative Wege gibt, die ein neues Verständnis der Architekturfotographie beschreiben. Das sind zum einem die „nicht maskierende“ und die „konstruktive“ Architekturfotographie“.
Eine nicht maskierende Architekturfotographie könnte zum Beispiel eine solche sein, die Architektur in ihrer Umgebung oder in ihrem Gebrauch zeigt. Unmaskiert soll jedoch nicht implizieren, dass die Architektur dabei schlecht wegkommt, im Gegenteil: Vielleicht begreifen wir sie besser und sie kann mehr für uns leben. Eine konstruktive Architekturfotographie wäre eine Fotographie, die die Aufmerksamkeit auf ganz besondere Aspekte der Architektur lenkt, die gerade dadurch, dass sie diese Aspekte fokussiert, zu suggerieren vermag, dass Architektur noch mehr ist als das, was auf dem Foto zu sehen ist. Nur solche Formen der Fotographie werden der Komplexität der Architektur und ihrem potentiellen Reichtum gerecht.

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